Tagebuch (German Edition) by Frank Anne

Tagebuch (German Edition) by Frank Anne

Author:Frank, Anne [Frank, Anne]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783104026091
Publisher: S.Fischer Verlage
Published: 2012-10-03T22:00:00+00:00


Montag, 24. Januar 1944

Liebe Kitty!

Mir ist etwas passiert (oder eigentlich kann ich von passieren nicht sprechen), was ich selbst ganz verrückt finde.

Früher wurde zu Hause und in der Schule über Geschlechtsfragen entweder geheimnisvoll oder Ekel erregend gesprochen. Worte, die sich darauf bezogen, wurden geflüstert, und wenn jemand etwas nicht wusste, wurde er ausgelacht. Ich fand das seltsam und dachte ott: »Warum spricht man über diese Dinge immer so geheimnisvoll oder hässlich?« Aber weil doch nichts daran zu ändern war, hielt ich so weit wie möglich den Mund oder bat meine Freundinnen um Auskunft.

Als ich über vieles Bescheid wusste, sagte Mutter einmal: »Anne, ich gebe dir einen guten Rat, sprich über dieses Thema nie mit Jungen und gib keine Antwort, wenn sie damit anfangen.«

Ich weiß meine Antwort noch ganz genau, ich sagte: »Nein, natürlich nicht, was stellst du dir vor!« Und dabei ist es geblieben.

In der ersten Zeit im Versteck sprach Vater häufig von Dingen, die ich lieber von Mutter gehört hätte, und den Rest erfuhr ich aus Büchern oder Gesprächen.

Peter van Daan war in dieser Hinsicht nie so unangenehm wie die Jungen in der Schule, am Anfang vielleicht schon mal, aber niemals, um mich herauszufordern. Frau van Daan hat mal gesagt, dass sie nie mit Peter über diese Dinge gesprochen hat, ihr Mann auch nicht. Offensichtlich wusste sie nicht einmal, wie und über was Peter informiert war.

Gestern nun, als Margot, Peter und ich beim Kartoffelschälen waren, kam das Gespräch auf Moffi, die Katze. »Wir wissen noch immer nicht, welches Geschlecht Moffi hat, gell?«, fragte ich.

»Doch, schon«, antwortete Peter. »Es ist ein Kater.«

Ich fing an zu lachen. »Ein schöner Kater, der in anderen Umständen ist.«

Peter und Margot lachten mit. Vor zwei Monaten hatte Peter nämlich gesagt, es würde nicht mehr lange dauern und Moffi bekäme Kinder, ihr Bauch wurde so erstaunlich dick. Der dicke Bauch kam aber, wie sich herausstellte, von den vielen gestohlenen Leckerbissen, denn die Kinderchen wuchsen nicht, geschweige denn, dass sie geboren wurden.

Peter musste sich nun doch verteidigen. »Du kannst selbst mitkommen und ihn betrachten. Als ich mal mit ihm gebalgt habe, habe ich ganz genau gesehen, dass er ein Kater ist.«

Ich konnte meine Neugier nicht zurückhalten und ging mit ins Lager. Moffi hatte jedoch keine Sprechstunde und war nirgends zu entdecken. Wir warteten eine Weile, fingen an zu frieren und stiegen die Treppe wieder hinauf.

Später am Nachmittag hörte ich, dass Peter wieder hinunterging. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und ging allein durch das stille Haus hinunter ins Lager. Peter spielte mit Moffi auf dem Packtisch und wollte Moffi gerade auf die Waage setzen, um sein Gewicht zu kontrollieren.

»Hallo, willst du mal sehen?« Er machte keine langen Vorbereitungen, hob das Tier hoch, drehte es auf den Rücken, hielt sehr geschickt Kopf und Pfoten fest, und der Unterricht begann. »Das ist das männliche Geschlechtsteil, das sind ein paar lose Härchen, und das ist der Hintern.«

Die Katze machte nochmals eine halbe Umdrehung und stand wieder auf ihren weißen Socken.

Jeden anderen Jungen, der mir so »das männliche Geschlechtsteil« gezeigt hätte, hätte ich nicht mehr angeschaut.



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